Wort zur Fastenzeit
Wort zur Fastenzeit
von P. Jörg Weinbach OT
Geistlicher Assistent der Ballei Deutschland
Fasten, wie es dem Herrn gefällt
„Du erbarmst dich aller, o Herr, und hast Nachsicht mit den Sünden der Menschen, damit sie sich bekehren; denn du bist der Herr, unser Gott.“ (Weish 11,24–25.27) Diese Worte aus dem Buch der Weisheit hören wir als Eröffnungsvers in der Messe vom Aschermittwoch. Am Beginn der Fastenzeit, die uns auf Ostern vorbereiten soll, steht also ein Bekenntnis zur Barmherzigkeit Gottes. Und es schwingt die erwartungsfrohe Hoffnung mit, dass seine Nachsicht nicht nur den anderen gilt, sondern auch uns selbst. Auch wir dürfen die Fastenzeit nutzen, um uns von der Sünde abzuwenden und der Liebe Gottes zuzuwenden. Nichts anderes meint Bekehrung.
Die Erfahrung der Barmherzigkeit Gottes lädt uns ein, uns in den vor uns liegenden Wochen vertrauensvoll mit Christus auf den geistlichen Weg hin nach Jerusalem und Golgatha zu machen – im Wissen, dass sein Wille für uns Leben bedeutet. Die vierzig Tage erinnern uns dabei an die der Wüstenwanderung des Volkes Israel, das Gott vierzig Jahre durch die Wüste führte, um es von seiner Auflehnung gegen den Willen Gottes, seinem Misstrauen gegen seine Güte zu heilen. (Vgl. Num 13–14) Er tat dies, indem er sie mit Wasser aus dem Felsen und mit Manna vom Himmel am Leben erhielt und so täglich neu vor dem Tod rettete. Hieraus sollen wir die Zuversicht schöpfen, dass Gott auch uns begleiten und mit uns Nachsicht haben will, damit auch wir uns zu ihm bekehren.
Nach dem Kyrie beten wir dann: „Getreuer Gott, im Vertrauen auf dich beginnen wir die vierzig Tage der Umkehr und Buße. Gib uns die Kraft zu christlicher Zucht, damit wir dem Bösen absagen und mit Entschiedenheit das Gute tun.“ (Tagesgebet an Aschermittwoch, Messbuch II, S. 77)
Es geht also um eine doppelte Neuausrichtung unseres Lebens: Wir sollen uns vom Bösen abwenden und stattdessen Gutes tun. In der Formulierung „dem Bösen absagen“ klingt dabei schon ein entscheidender Akt der Osternacht an: Die Erneuerung unseres Taufversprechens, „mit dem wir einst dem Satan abgeschworen und Gott versprochen haben, ihm, unserem Herrn, in der heiligen katholischen Kirche zu dienen“. (Liturgie der Osternacht, Messbuch I S. [104])
Bei dieser Erneuerung des Taufversprechens folgt auf die Absage an das Böse das Bekenntnis zum Glauben, das sich in unserem Leben durch gute Taten als wahr erweisen soll. Deshalb darf unser Fasten nie rein selbstbezogen sein, sondern muss uns immer für den Nächsten und seine Nöte öffnen. Hierdurch unterscheidet sich das Fasten, zu dem wir eingeladen sind, von einer Diät zum Abnehmen oder dem sogenannten Heilfasten. Bei diesen Formen des Verzichts hat man nur sich selbst, seine Gesundheit und das eigene Wohlbefinden im Blick. Das christliche Fasten hingegen schaut nicht auf sich selbst, sondern auf Gott und seine Liebe. Es will uns für diese Liebe sensibilisieren, indem es die Wahrnehmung für das wirklich Wichtige schärft und uns die konkreten Erweise der Güte Gottes in unserem Leben besser erkennen lässt.
Gleichzeitig ist der Verzicht des Fastenden ein Opfer des Dankes für Gottes Liebe – dankbare Antwort auf sein Erbarmen, die darin besteht, dass wir seine Liebe mit Liebe erwidern. Da aber die Liebe zu Gott sich in der Liebe zum Nächsten als wahr erweisen soll, gehören zu jedem echten Fastenopfer auch Werke der Nächstenliebe, so wie es die Dritte Präfation für die Fastenzeit formuliert: „Die Entsagung mindert in uns die Selbstsucht und öffnet unser Herz für die Armen. Denn deine Barmherzigkeit drängt uns, das Brot mit ihnen zu teilen in der Liebe deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus.“ (Messbuch II, S. 377)
Dabei kann das „Teilen des Brotes“ viele Gestalten annehmen: Sei es, dass man das, was man durch den Verzicht in der Fastenzeit spart, Bedürftigen zuwendet, oder, dass man sich Zeit für andere nimmt durch einen Besuch, konkrete Hilfe oder auch das fürbittende Gebet, oder auf andere Weise.
Für unser Fasten gilt daher, was schon der Prophet Jesaja festgehalten hat. Wir hören es in der Lesung am Freitag nach Aschermittwoch: „Ist das ein Fasten, wie ich es wünsche, ein Tag, an dem sich der Mensch demütigt: wenn man den Kopf hängen lässt wie eine Binse, wenn man sich mit Sack und Asche bedeckt? Nennst du das ein Fasten und einen Tag, der dem Herrn gefällt? Ist nicht das ein Fasten, wie ich es wünsche: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, Unterdrückte freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen? Bedeutet es nicht, dem Hungrigen dein Brot zu brechen, obdachlose Arme ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich deiner Verwandtschaft nicht zu entziehen? Dann wird dein Licht hervorbrechen wie das Morgenrot und deine Heilung wird schnell gedeihen. Deine Gerechtigkeit geht dir voran, die Herrlichkeit des Herrn folgt dir nach.“ (Jes 58, 5–8)
Wenn wir so fasten und unser Glaubensbekenntnis durch die liebende Tat als wahr erweisen, dann wird die Fastenzeit zu einer Zeit der Hoffnung – unserer Hoffnung auf das Heil in Christus und der Hoffnung der anderen, die unsere Liebe in ihnen weckt.
Gehen wir daher – dem Motto des Heiligen Jahres entsprechend – als Pilger der Hoffnung durch die vor uns liegenden Tage der Fastenzeit – im Wissen, dass Gott bei uns ist, dass er selbst uns Kraft zum Guten gibt und wir uns stets auf seine Hilfe und Gegenwart verlassen können. Denn er selbst will unser Retter sein, den wir ehren, wenn wir fasten, wie es ihm gefällt.
Ihnen eine gesegnete Fastenzeit!